Wir Hobby-Köche
«Der Speisen beste Würze ist der Hunger» hat 50 Jahre vor Christi Geburt Marcus Tullius Cicero festgestellt. Der alte Römer mag ja als Redner eine Granate und seine Aussage anno 50 v. Chr. vielleicht nicht ganz falsch gewesen sein. Als Mitglied unseres Männer-Kochclubs würde sich der Senator mit dieser steilen These aber von vornherein unmöglich machen.
Denn da Hunger als Würzstoff beim meist übergewichtigen Zielpublikum heutiger Freizeit-Küchenchefs ausfällt, müssen sie für die geschmackliche Krönung ihrer ausgeklügelten kulinarischen Kompositionen gezwungenermassen zu anderen Geschmacksverstärkern greifen. Und davon gibt es ja mittlerweile reichlich und nicht nur in Spezialgeschäften. Jeder mittelprächtige Agglo-Aldi füllt heutzutage einige Laufmeter Gestelle mit Gewürzfläschchen von «A» wie Ajowan, Anis und Annato bis «Z» wie Zichorie, Zimt und Zitronenthymian. Und dies in mindestens drei Varianten konkurrierender Hersteller. So kommt dann der ambitionierte Amateur mit zwei prall gefüllten Papiersäcken voll exotischer Pulver, Körner und Düften aus dem Supermarkt zurück. Kein Spiegelei verlässt fortan seine Pfanne, ohne dass es mit einer fein austarierten Mischung von Kurkuma, Wasabi und Tamarinde bestäubt worden ist. Kein Kartoffelgratin kommt ihm in den Ofen, über den sich vorgängig nicht eine Wolke aus Nelkenpfeffer, Kerbel und schwarzem Kardamon gesenkt hat. Und seine berühmte Feijoada wäre nicht seine berühmte Feijoada ohne reichliche Zugaben von Curry, Kreuzkümmel und Koriander. Und während seine Gäste die kühnen Kreationen vorsichtig kosten und danach höflich hustend einen möglichst unverfänglichen Kommentar abgeben, steht für die meisten von ihnen schon fest, in welchem Restaurant in Fine To Dine-Land sie demnächst mal wieder essen gehen wollen. Nämlich in eines, wo noch die gute alte Menage auf dem Tisch steht. Die mit der Aromat-Büchse und der Maggi-Flasche. Roger Thiriet

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