Wir Hobby-Köche
Wer meint, in Zeiten des Internets sei das Medium der Buchstaben und Bilder auf Papier aus der Mode gekommen, kann sich an der Frankfurter Buchmesse oder der BuchBasel leicht vom Gegenteil überzeugen. Augenscheinlich werden Jahr für Jahr mehr Bücher gedruckt (und etwas weniger davon tatsächlich auch verkauft). Und ein beträchtlicher Teil davon steht auf den Regalen oder in den Online-Bookshops der Abteilung «Essen und Kochen». Experten gehen davon aus, dass der Kochbücher-Boom mit der wachsenden Anzahl von Männer-Kochclubs zusammenhängt. Denn ein zünftiger Hobby-Gastronom kauft sich ein Kochbuch, bevor er weiss, wann Wasser kocht. Und da er sich auf seinem Weg zum Caminada des Gundeli ja nicht auf das Niveau einer alltagskochenden Frau herablassen kann, greift er nicht zum Heft von Annemarie Wildeisen, sondern zu einem sündteuren Hochglanz-Wälzer von Paul Bocuse. Daran scheitert dann aber meistens seine gross angekündigte Performance im Kochclub, bevor sie richtig begonnen hat. Erstens findet er in der Lebensmittelabteilung keine einzige der exotischen Zutaten und seltenen Gewürze, welche die Dreistern-Rezeptur zwingend vorschreibt. Zweitens fehlen dem Möchtegern-Chef daheim alle Werkzeuge, die das gastronomische Vorbild für die Zubereitung seines raffinierten Gerichts wie selbstverständlich voraussetzt. Und drittens findet er in der Küche seiner Frau nicht eines der Hightech-Geräte, in welchen der Maître seine Kompositionen virtuos steamt, dampfgart oder sous-videt. So stellt der Hobbykoch schliesslich desillusioniert den vom Food-Stylisten anmächeligst illustrierten Bildband zurück auf das Regal und greift statt dessen nach dem Ringbuch «Lust auf Wurst» von Betty Bossi. Oder grad zum neuen Fine To Dine ...

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